Abb. oben: Im Unterschied zu allen derzeit zugelassenen Antidementiva bei Alzheimer-Krankheit und Parkinson-Demenz, welche lediglich den Mangel an Neurotransmittern kompensieren, hemmen Arzneipflanzen wie z.B. die Sibirische Kreuzblume (Bild) gezielt und mehrschichtig neurodegenerative Prozesse im Gehirn. (Graphik: Vogt)

Demenz in der Phytotherapie

Entdecken, Verstehen und Anwenden von neuroprotektiven Arzneipflanzen

Motivation

Obwohl Demenzen eine oft viele Jahre klinisch unbemerkte Entzündung mit Niedergang von Nervenzellen vorangeht, fehlt es nach wie vor an neuroprotektiven und antidementiven Arzneimitteln für die Vorsorgetherapie. Selbst für Menschen mit beginnender kognitiver Beeinträchtigung (MCI) – auch mit Biomarker-Nachweis für die Alzheimer-Krankheit oder anderen Risikofaktoren für Demenz – steht derzeit keine anerkannte Pharmakotherapie zur Verfügung, mit der erst bei manifester Demenz (deutlich zu spät) begonnen wird.   

Zugleich besitzt kein einziges in den aktuellen S3-Leitlinien bei leichter bis mittelschwerer Demenz zugelassenes Arzneimittel eine gezielte neuroprotektive Wirkung, obwohl für verschiedene Formen der Neurodegeneration eine Reihe von Schlüsselprozessen mit molekularen Zielen durchaus bekannt sind. Die Strategie der aktuellen Pharmakotherapie bei Alzheimer- und Parkinson-Demenz besteht fast ausschließlich im indirekten „Nachfüllen“ von fehlenden Neurotransmittern. Damit befindet man sich auf der Ebene einer mechanistischen Supplementierung, anstatt entzündliche Signalwege gezielt zu beeinflussen oder universelle Prozesse der neuronalen Plastizität zu verbessern.

Abb. oben: In der japanischen Kampo-Medizin wird Senegawurzel zur Vorbeugung und Add-on-Therapie von Demenzen eingesetzt. Die chinesische Phytotherapie nutzt dieselbe Droge unter der Bezeichnung „Weitreichender Wille“ seit mind. 2000 Jahren bei Gedächtnisverlust und Desorientiertheit. Im Unterschied zu den bei Alzheimer-Krankheit verordneten Arzneimitteln, die lediglich den Abbau des Botenstoffes Acetylcholin hemmen, fördert das Vielstoffsystem des Kreuzblumengewächses zugleich seine Biosynthese und reduziert zudem die Bildung von neurotoxischen Eiweißablagerungen in und außerhalb von Nervenzellen. (Foto: ©Vogt)
Abb. oben: In der chinesischen Phytotherapie wird der Wurzelstock des Grasblatt-Kalmus bei Vergesslichkeit und getrübter Sinneswahrnehmung seit der Han-Dynastie verwendet. Im Ayurveda dient Kalmus generell als Rasayana („Verjüngungsmittel“) für das Nervensystem. Moderne Studien belegen für Kalmus eine vermehrte Ausschüttung des Langzeitgedächtnis- und Nervenschutzfaktors BDNF mit Förderung des Arbeitsgedächtnisses bei chronischem Stress. Zudem konnte ein für die Alzheimer-Erkrankung relevanter Nervenzellschutz gegenüber senilen Plaques nachgewiesen werden. Verbirgt sich vielleicht hinter der alten Vorstellung, die Arznei könne „trüben Schleim verdampfen“ und damit die „Sinne öffnen“ ein Prinzip gegen neurotoxische Eiweißablagerungen? Wie kann man die Droge zielgerecht nutzen, sinnvoll dosieren und in ein therapeutisches Gesamtkonzept implementieren? (Foto: ©Vogt)

Wir kennen heute eine Reihe von traditionellen Heilpflanzen, welche nicht nur die Lern- und Gedächtnisleistung durch Einfluss der neuronalen Plastizität und Neurotransmission fördern, sondern auch entzündliche Prozesse im Gehirn unspezifisch bis teil hochspezifisch hemmen. Doch mangels an humanklinischen Studien, standardisierten Zubereitungen und fehlenden Zulassungen haben abseits von Ginkgo und Johanniskraut nur wenige dieser Pflanzen in die westliche ärztliche Praxis zur Begleitung von neuropsychiatrischen Störungen gefunden.

Es benötigte ¼ Jahrhundert, bis der von der Kommission E bei primären Demenzen bereits 1994 positiv monographierte Ginkgo auch von den deutschen Fachgesellschaften für Neurologie und Psychiatrie in die S3-Leitlinien aufgenommen wurde und damit beginnende Akzeptanz in der konventionellen Therapie fand. Wie lange wird es dann wohl dauern, bis nachweislich neuroprotektive und potentiell antidementive, aber in Europa kaum bekannte Arzneipflanzen wie z.B. Kleines Fettblatt, Jasminglanz, Asiatischer Wassernabel, Sibirische Kreuzblume oder Grasblatt-Kalmus in die ärztliche Praxis finden? Im Unterschied zu Ginkgo stehen für diese traditionellen Heilpflanzen weder europäische Monographien noch zugelassene Fertigpräparate zur Verfügung, auf die Ärzte bequem zugreifen können.

Abb. oben: Das aus Sicht des Ayurveda „Geist zentrierende“ Kleine Fettblatt zeigt in kleinen plazebokontrollierten Studien eine Verbesserung des Arbeitsgedächtnisses. Dabei dürfte nicht nur die klinisch nachgewiesene Hemmung des Acetylcholin abbauenden Enzyms, sondern auch die Förderung der synaptischen Neuroplastizität eine Rolle spielen. (Foto: ©Vogt)
Abb. oben: In der rezenten chinesischen Phytotherapie wird der Wurzelstock des „Himmelshanfs“, einem Orchideengewächs, in der Begleittherapie bei Parkinson genutzt. In verschiedenen Parkinson-Modellen konnte ein Schutz vor dem Niedergang dopaminerger Nervenzellen sowie eine Aggregationshemmung von alpha-Synuclein nachgewiesen werden. Die Droge ist ausgezeichnet verträglich und wird bei Konvulsionen traditionell mit Indischem Morgenstern kombiniert. (Foto: Vogt)

Seit einigen Jahren ist auch der Zusammenhang zwischen Durchblutungsstörungen im Gehirn, Demenz und Depression bekannt. Eine Reihe von Pflanzen zeigt sich vielversprechend in der Begleitung von vaskulärer Demenz und „vaskulärer Depression“, auch wenn für erstere derzeit nur Ginkgo von den Fachgesellschaften akzeptiert wird. Die Rote Pfingstrosenwurzel besitzt in Asien eine lange Tradition in der Begleitung und Nachversorgung von Schlaganfällen und besitzt als Phyto-Rheologikum dafür auch pharmakologische Plausibilität. Im Unterschied zur häufig verwendeten und einseitig wirkenden Acetylsalicylsäure, deren klinische Bedeutung für die Schlaganfallsprophylaxe in den letzten Jahren immer kritischer gesehen wird, zeigen gut verträgliche Inhaltsstoffe der Gattung Pfingstrose eine außergewöhnliche Schutzwirkung gegen auf Blutplättchen einwirkende Scherkräfte und den damit eingeleiteten Gerinnungsweg, für den aktuell kein spezifisches Arzneimittel existiert. Darüber hinaus schützt die Pfingstrose im Alzheimer- und Parkinson-Modell vor dem Niedergang cholinerger und dopaminerger Nervenzellen in den jeweils betroffenen Gehirnarealen. Wie integriert man nun Pfingstrosenwurzel in ein modernes Therapiekonzept und worauf ist zu achten?

Abb. oben: Das natürliche Verbreitungsgebiet der Roten Pfingstrose (Paeonia veitchii) reicht von der Inneren Mongolei über Nord- und Südchina bis nach Tibet. Sie ist die älteste arzneilich genutzte Pfingstrose in der TCM. (Foto: Richard Olmstaed)
Abb. oben: Im Unterschied zur Weißen Pfingstrose besitzt die Rote Pfingstrose im Konzept der Traditionellen Chinesischen Medizin weniger „das Blut nährende“-, sondern mehr „das Blut bewegende“- und zudem „Stasen des Blutes lösende“-Eigenschaften. Hinter dieser Beschreibung verbirgt sich vielleicht die nachgewiesene gefäßerweiternde und antithrombotische Wirkung der Droge. (Foto: Vogt)

Warten wir nun darauf, bis sich pharmazeutische Industrie, schwerfällige Behörden und konservative Fachgesellschaften irgendwann mit der einen oder anderen traditionellen „Nervenschutzpflanze“ intensiv befassen, um vielleicht in ferner Zukunft ein hochwertiges Fertigpräparat anbieten zu können? Alternativ stehen zahlreiche evidenzlose, in der Regel als Nahrungsergänzungsmittel maskierte Pflanzenzubereitungen mit unlauteren Health Claims zur Verfügung oder man vertraut gleichfalls reflexionslos in oft unnötig überladene und teils bedenkliche historische Rezepturen.

Ein anderer Weg führt über die Zusammenlegung von moderner neurobiologischer Forschung mit traditionellen Medizinkonzepten und ärztlicher Erfahrung zu einer verantwortungsvollen und individualisierbaren Phytotherapie. Das Seminar lädt dazu ein, die ersten Schritte in diese Richtung zu gehen.

Abb. oben: Schützt das Trinken von „Griechischem Bergtee“ gegen Alzheimer, wie in vielen Internetforen behauptet wird? Wieviel Droge müsste man pro Tag in welcher Zubereitungsform einnehmen, um durchaus vielversprechenden Tiermodellstudien gerecht zu werden? Im Seminar wird das Balkan-Gliederkraut sowie andere „Modepflanzen“ aus Sicht der Forschung vorgestellt und nach sinnvollen Wegen in die Phytopraxis gesucht. (Foto: Vogt)

Was erwartet mich im Seminar?

  • Kennenlernen von neuroprotektiven und antidementiven Pflanzenprinzipien und ihren Wirkmechanismen.
  • Kennenlernen von ausgewählten Teedrogen und Kombinationsmöglichkeiten.
  • Auseinandersetzung mit Dosierungen, Nebenwirkungen und Interaktionen für eine verantwortungsvolle Phytopraxis.
  • Evaluierung von historischen Rezepturen und „Modepflanzen“.
  • Gemeinsames Rezeptieren zu Fallbeispielen (magistrales Rezeptieren) und Erarbeitung von Therapiekonzepten.
  • Schwerpunkte: Alzheimer-Krankheit, vaskuläre Demenz, vaskulärer Depression, Altersdepression, sekundäre Parkinson-Demenz, Mild Cognitive Impairment.

 

Das Seminar ermöglicht Einblicke in die faszinierende Interaktion von traditionellen Heilpflanzen mit Strukturen und molekularen Vorgängen im Gehirn, zieht Verbindungen zu traditionellen Medizinkonzepten und erarbeitet Möglichkeiten für eine verantwortungsvolle und individualisierte Begleittherapie bei Demenzen und neurodegenerativen Störungen.
Bei der Veranstaltung sind nicht nur Ärzte und Therapeuten (zu Mitarbeit und Reflexion) herzlich willkommen, sondern auch alle Interessierten, die eine naturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Forschung und Tradition zu neuroprotektiven Arzneipflanzen suchen.

Leistungsumfang:

  • Interaktives Kleingruppenseminar
  • Zusammenführung von Tradition und Wissenschaft für eine moderne Phytopraxis
  • Anschauungsdrogen mit ausgewählten Teeverkostungen
  • Gemeinsames magistrales Rezeptieren
  • Umfangreiches Handout

Anmeldung:

Veranstaltungsort:

Kirchenstraße 8, 9071 Köttmannsdorf, Kärnten

  • unterer oder oberer Pfarrsaal